|
|
06.09.2006
Pressekontakte :
Anwalt Jean-Piere Garbade (fr, de, en, es): 0041 22 32 957 52
mobile : 0041 792 136 133
G8 Evian 2003:
Kantonalgericht bestätigt Straffreiheit der Schweizer Polizei
Letzte Berufung im Fall “Aubonne-Brücke” abgelehnt
Sieben Monate nach dem umstrittenen Freispruch
der beiden Polizisten, die bei den G8-Protesten in Evian 2003 um ein Haar
2 Aktivisten getötet hatten, wies das Kantonalgericht Waadt heute
den Revisionsantrag der AktivistInnen Martin Shaw (englisch) und Gesine
Wenzel (deutsch) zurück.
Mit einem weithin als Justizskandal bezeichneten Urteil
waren Polizeioberwachtmeister Claude Poget (Waadt) und Polizeibeamte Michael
Deiss (Schaffhausen) am 17. Februar diesen Jahres frei gesprochen worden.
Beide mussten sich für einen Vorfall auf der Aubonne-Brücke
verantworten, bei dem die Polizei das Kletterseil der beiden Aktivisten
durchtrennte und den 23m-Fall von Martin Shaw verursachte, der knapp überlebte,
jedoch schwere Knochenbrüchen davontrug.
Heute wies das Kantonalgericht den Revisionsantrag zurück.
Gesine Wenzel, deren Leben nur durch die schnelle Reaktion
der Aktivisten auf der Brücke gerettet wurde, sagte : « Ich
hoffe, diese Entscheidung hat nun jedem klar gemacht, dass dieses System
von Grund auf faul ist. Es gibt keine neutrale Justiz und keine Gleichheit
vor dem Gesetz. Wir sind dafür schuldig gesprochen worden mit unserer
Blockade-Aktion das Leben der Autofahrer auf der Brücke gefährdet
zu haben. Der Polizei jedoch, die uns um ein Haar getötet hätte,
waschen die Gerichte das Blut von der Weste. Mit diesem Urteil hat das
Kantonalgericht unter Beweis gestellt, dass es in der Schweiz keine Möglichkeit
gibt, die Polizei für ihren Machtmissbrauch zur Verantwortung zu
ziehen, nicht einmal, wenn es eindeutige Videoaufnahmen gibt. Unser Fall
ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Straffreiheit der Polizei in der
Schweiz ist unantastbar.»
Martin Shaw hat von dem 23m-Fall, der in schweren Knochenbrüchen
in Fuss und Rücken resultierte, bleibende Schäden davongetragen.
Es ist die Verantwortung der Waadter Regierung Entschädigung zu zahlen,
doch nun könnte diese den skandalösen Freispruch nutzen, um
Schadensersatzzahlungen zu verweigern und sich ihrer Verantwortung zu
entziehen. Bis zum heutigen Tag hat sich die Kantonsregierung weder entschuldigt
noch Ansätze gezeigt, ihre Polizeistrategien zu überprüfen
– trotz der Tatsache, dass, wie während des Prozesses offenkundig
wurde, Information, Kommunikation und Koordination der Polizei katastrophale
Mängel aufwiesen.
Martin Shaw sagte: « Ich werde für den Rest meines Lebens unter
den Schäden leiden. Sie machen mir außerdem die Ausübung
meines Berufes als Elektriker unmöglich. Nach dem G8 haben alle Ladenbesitzer,
deren Schaufenster währen der Proteste zu Bruch gingen, Entschädigungszahlungen
erhalten. Aktivisten jedoch, denen die Polizei die Knochen brach, werden
nie einen Pfennig sehen. Das ist das wahre Gesicht ihrer « Demokratie
». »
Dieser Revisionsantrag war die letzte gerichtliche Möglichkeit,
die Polizei zur Verantwortung zu ziehen. Es besteht keine Möglichkeit
gegenüber einem höheren Gericht Einspruch zu erheben, denn der
Schweizer Staat hat ein Gesetz verabschiedet, das es Bürgern verbietet,
gegen die Polizei vor das Bundesgericht zu ziehen.
Der Anwalt der Aktivisten, Jean-Pierre Garbade, erklärte: «
Es steht fest, dass die beiden Polizeibeamten das Gesetz gebrochen haben.
Die Tatsache, dass das Kantonalgericht ihnen mit fadenscheinigen Begründungen
die Straffreiheit garantiert, lässt schwere Zweifel am Schutz der
Bürgerrechte in der Schweiz aufkommen. Beweis ist allein schon die
Haltung des Staatsanwaltes, der sich weigerte, die Anklage aufrecht zu
erhalten. »
Die Aktivisten unterstrichen: « Dies ist genau
der Grund, weshalb wir an direkte Aktion und Selbstverwaltung glauben.
Der demokratische Anschein dieses Systems ist eine Täuschung. Der
G8 ist das beste Beispiel für ihre Heuchelei. Diese Entscheidung
hat unsere Ansichten nur gestärkt. Unser Kampf geht weiter. »
Hintergrundinformation :
Martin Shaw and Gesine Wenzel verloren um ein Haar ihr Leben, als sie
am 1. Juni 2003 mit der Aubonne-Gruppe die Autobahn Genf-Lausanne blockierten,
um das Durchkommen einer G8-Delegation zu verhindern. Die Polizei zerstörte
alle Sicherheitsmassnahmen der Aktivisten und schnitt letztendlich das
Kletterseil durch, an dem Martin und Gesine hingen. Beide Aktivisten wurden
im Mai 2004 für Eingriff in den Strassenverkehr und Gefährung
der Leben der Autofahrer schuldig gesprochen und erhielten Bewährungsstrafen.
Sie erstatten Anzeige gegen die Polizei. Der Untersuchungsrichter wies
die Anklage zurück und erst in einem Revisionsverfahren wurde entschieden,
den Einsatzleiter auf der Brücke, Claude Poget, und den Polizisten,
der das Seil durchschnitt, Michael Deiss, vor Gericht zu bringen. Nach
einem dreitätigen Verfahren im Januar 2006 entschied der Staatsanwalt,
Daniel Stoll, die Anklage zurück zu ziehen mit der Begründung,
dass, objektiv gesehen, die Polizei eine Reihe von Fehlern gemacht habe,
dies aber subjektiv gesehen durch den Druck, der auf ihnen lastete, verständlich
sei. Ausserdem sei der Polizei Aktionen dieser Art unbekannt gewesen.
Der Richter, Pierre Bruttin, urteilte daraufhin, die Polizei sei unschuldig,
und erklärte, dass die Aktivisten die Schuld für den Vorfall
trügen, - wenn sie nicht von der Brücke gehangen hätten,
hätte die Polizei das Seil gar nicht durchschneiden können.
----------------------------------------------------------------------------
20.02.2006
AktivistInnen legen
jetzt Berufung gegen den Freispruch für Polizeibrutalität ein
Nach dem Freispruch für die zwei schweizer Polizeibeamten, die sie
während der G8 Proteste im Sommer 2003 fast getötet hätten,
haben Gesine Wenzel und Martin Shaw beschlossen Berufung gegen den Beschluss
des regionalen Gerichts einzulegen.
Pressekontakt: Gesine Wenzel oder Martin Shaw: +41 7868 36405, aubonnepress@yahoo.com
Während des G8 Gipfels 2003 in Evian, Frankreich organisierten
einige
AktivistInnen eine Autobahnblockade, um Delegierte an der Anfahrt zu
hindern. Um den Delegiertenkonvoi weiter zu verzögern, seilten sich
Gesine Wenzel und Martin Shaw von einer Brücke ab. Die schweizer
Polizisten Claude Poget und Michael Deiss waren nach kurzer Zeit vor
Ort. Deiss schnitt das Kletterseil, an dem die beiden hingen durch und
töte damit beinahe Shaw, der 23 Meter tief stürzte. Ein schweizer
Gericht sprach die beiden Beamten letzte Woche unter großer nationaler
und internationaler Medienpräsents frei von jeglicher Verantwortung
für
die Folgen ihres Handelns. Die AktivistInnen werden jetzt in Berufung
gehen.
« Dieser Prozess war ein reines Theater, das dazu diente die öffentliche
Meinung zu manipulieren und das Blut von den Händen der Polizeibeamten
zu waschen. » , erklärte Gesine Wenzel. « Dieses Urteil
ist nur ein
weiterer Beweis, dass die Polizisten in der Schweiz nahezu vollständige
Straffreiheit genießen. Es ist als würde ihnen eine Blankocheque
für
alle Misshandlungen und Gewalttaten ausgestellt. Mit unserer Berufung
wollen wir die Tatsache aufzeigen, dass dieses System von oben bis unten
korrupt ist. »
Ihr Anwalt Jean-Pierre Garbade erklärt dazu: « Die Polizisten
sind
schuldig. Der Einsatzleiter Claude Poget hat mehrere Fehler begangen.
Er
ignorierte seine Anweisungen den Dialog mit den AktivistInnen zu suchen
und drängte sie einfach von der Straße, ohne die Situation
näher zu
untersuchen. Außerdem ist es unverantwortlich, dass er seinen
Untergebenen nicht über die beiden KletterInnen unterrichtete. Außerdem
hätte Michael Deiss nicht aktiv werden dürfen, ohne um Einverständnis
zu
fragen. Der Freispruch in dieser Instanz ist eine Fehlentscheidung. »
Martin Shaw sagte: « Die Argumentation der Verteidiger ist vorhersehbar
und dennoch erschreckend. Der gesamte Prozess hat sich angefühlt,
als
würde er gegen uns und nicht gegen die Polizisten geführt. Die
Opfer zu
beschuldigen ist eine der feigsten möglichen Reaktionen. Sie behaupten
unsere Aktion sei unsicher gewesen, als ob wir unser eigenes Seil
durchgeschnitten hätten. Ihre Entschuldigung ist, dass die Polizei
gestresst war und ihnen die Aktionsform unbekannt war. Tatsächlich
war
es ihnen viel wichtiger den Verkehr wieder zum fließen zu bringen,
weil
die G8-Delegation unterwegs war, als unser Leben zu schützen. Der
gesamte juristische Prozess dient der Verschleierung dieser Polizeigewalt.
»
Die UnterstützerInnengruppe erklärte unterdessen: « Die
Straffreiheit
für die Polizei hat in der Schweiz eine lange Tradition. Zum ersten
mal
seit mehr als 20 Jahren mussten sich Polizeibeamten für Missbrauch
ihrer
Position vor einem so hohen Gericht verantworten. Das Rechtssystem ist
so gestaltet, dass es die Verurteilung von Polizisten nahezu unmöglich
macht. Gericht und Anklage arbeiten Tag für Tag mit eben diesen
Polizisten zusammen. Schon deshalb werden sie sie nicht verurteilen. Die
einzige Institution, die halbwegs unabhängig entscheiden könnte
wäre das
Bundesgericht, aber ein Gesetz unterbindet jegliche Klagen gegen Beamte
vor dem Bundesgericht. Somit haben sie ein System geschaffen, das die
Verfahren gegen Polizeibeamte immer ihren Kollegen überlässt.
»
« Nach dem G8 Gipfel in Evian gab es zahlreiche Beschwerden wegen
Polizeigewalt, die von dem Staatsanwalt abgelehnt wurden. 15 Menschen
haben in den letzten Jahren einen Teil ihres Augenlichts durch
Gummigeschosse verlohren, die auf ihren Kopf abgeschossen wurden. Die
Polizei behauptet immer sie könnte den Polizisten, der den Schuss
abgegeben hat nicht identifizieren. So auch im Fall von Guy Smallman,
einem Journalisten, der während der G8 Proteste 2003 mit einer
Schockgranate beschossen wurde, die seinen Unterschenkelmuskel schwer
verletzte. »
Die Antwort des Berufungsgerichts, der höchsten in diesem Fall möglichen
Instanz, wird in diesem Sommer erwartet. Sollte die Berufung abgelehnt
werden, bleibt als einzige rechtliche Option die Eröffnung eines
zivilrechtlichen Entschädigungsverfahrens gegen den Kanton Vaud,
der für
die Handlungen seiner Beamten haftet. Doch auch hier dürften die
Chancen
nicht gut stehen, da die Polizei in der Schweiz Straffreiheit zu
genießen scheint.
AktivistInnen verlassen
Gerichtssaal noch während Urteilsverkündung
17.2.2005, Nyon, Schweiz
Viele Aktivisten kamen heute nach Nyon zur Urteilsverkündiung im
Prozess gegen 2 Polizisten, die um ein Haar zwei Kletterei getötet
hatten, als sie während der G8 Gipfels in Evian das Kletterseil durchschnitten.
Grosse Schweizer Messer aus Pappe ragten aus ihren Rücken, um zu
visualisieren, dass die Schweizer Polizei Menschen umbringt und das Opfer
hinterher vom Justizsystem das Messer in den Rücken gestochen bekommen.
Andere Aktivisten waren als Putzkolonne verkleidet und begannen, dem Gericht
bei ihrer Weisswäscherei zu helfen, in dem sie das Gerichtsgebäude
mit Zahnbürsten und Schwämmen einer Reinigung unterzogen. Martin
and Gesine hielten ein Transparent mit der Aufschrift "Das Justizsystem
ist Weisswäscher der Polizeibrutalität." (hübscher
auf französisch...).
Viele Journlisten, Radio und Fernsehen war anwesend.
Siehe
Bericht im Schweizer Fernsehen (17.02.06)
Aktuelle
Presseerklärung (17.02.06)
Um 11.45h war der Gerichtssaal gefülllt mit Presse und Aktivisten
und der Richter begann mit der Verlesung der 23-seitigen Urteilsbegründung.
Gleich zu Anfang erklärte der Richter, Pierre Bruttin, dass es in
seinem Gericht keine polizeiliche Straflosigkeit gäbe und dass das
Gericht den Fall sehr sorgfältig
behandelt habe und einzig auf Rechtsgrundlage entschieden habe.
Im Laufe der Verlesung der Begründung wurde deutlich, dass er nur
die fadenscheinigen Argumente der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft
wiederholte, alle Argumente der Nebenkläger widerlegte und die wichigsten
Streitpunkte gar nicht behandelte. Sein Hauptargument war, dass es die
Schuld der Aktivisten sei, dass das Seil durchgeschnitten wurde, denn
sie hatten sich ja dort hingehängt und dass die Polizei zwar objektiv
Fehler gemacht hatte, aber subjektiv gesehen aufgrund der G8-Proteste
unter soviel Druck standen, dass dies verständlich sei.
An diesem Punkt hatten Gesine und Martin genug. Sie standen auf, entrollten
ein Transparent mit der Aufschrift “Police partout, justice nul
part” (Überall Polizei, nirgends Gerechtigkeit - auf französisch
klingt es gut...), sagten - wir haben genug schwachsinn, lügen und
ausreden gehört - und gingen hinaus. Auch die anderen anwesenden
Aktivisten verliessen den Gerichtssaal.
Draussen erklärten die Kletterer vor den Fernsehkameras, dass dieses
Verfahren nur ein weiterer Beweis für die Straflosigkeit der Polizei
ist, und dass es offensichtlich ist, dass das Justizsystem der Polizeibrutalität
den Rücken deckt.
Wenig später war das Urteil gefällt und der Anwalt der Aktivisten
erklärte vor der Presse, dass dies Urteil ein absoluter Skandal ist
und dass es unglaublich sei, dass das Verhalten der Polizisten mit Stress
und Impulsitvität entschuldigt werden könne.
Die Kletterei verlasen folgende Erklärung vor dem Gerichtsgebäude
und der Presse.
“Was wir hier während der letzten Tage gesehen haben, ist
genau der Grund, weshalb wir, und Tausende von Menschen überall auf
der Welt, der Meinung sind, dass direkte Aktion der beste Weg ist, gegen
Ungerechtigkeit zu kämpfen.
Die gesamte Prozedur von dem Moment an, an dem das Seil gekappt wurde,
war klare Weisswäscherei.
Die Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist es, das Gesetz zu verteidigen,
was sie aber wirklich verteidigen, ist den Staat - und seine Beamten.
Dieser Prozess war ein geschickt inszeniertes, teures und zeitaufwändiges
Theaterstück, um Ausreden für unentschuldbare Akte zu finden
und der Öffentlichkeit vorzutäuschen, dass es hier um Gerechtigkeit
geht.
Dieser Prozess zeigt, wie das Justizsystem der Polizeibrutaliät den
Rücken deckt und ist ein weiterer Beweis für die fast totale
Straflosigkeit der Polizei.”
Die Aubonne Support Gruppe hatte zuvor in einem Diskussionsbeitrag geschrieben
- wir verfolgen diesen Fall nicht gerichtlich, weil wir glauben, dass
dieses Jusitzsystem irgendetwas mit Gerechtigkeit zu tun hätte, sondern
weil wir es für wichtig halten, dass polizeiliche Brutaliät
und Strafllosigkeit in der Öffentlichkeit thematisiert werden.
Spenden...damit wir weitermachen
können
|
|
|