Kampagne “Aubonne-Brücke”
Gegen Repression und Straflosigkeit der Polizei.
 
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Erklärung der Aubonne Support Gruppe zum Prozess gegen die Polizei im Fall Aubonne

...Wir glauben nicht an euren Rechtsstaat und wir glauben nicht an euer Justizsystem.
Wir spielen dieses Theaterstück mit, um euch eure Repression nicht so leicht zu machen.
Ihr sollt es nicht so einfach haben, Gras über die Sache wachsen zu lassen...

Jeder Prozess ist ein Theaterstück, in dem im Namen eines Volkes, das in dieser Form überhaupt nicht existiert, ?Recht? gesprochen wird. Was Recht und Unrecht ist und wie dies in verschiedenen Situationen ausgelegt wird, liegt im Ermessen der Herrschenden.
Sinn und Zweck der Veranstaltung ist es, ihre Hegemonie und den Status Quo der sozialen und ökologischen Ungerechtigkeit zu bewahren.
Der Knast ist der Schlüssel der staatlichen Repression. Ohne das Mittel Knast, das heißt, ohne die Möglichkeit abzuschrecken, zu bestrafen und die Leute schlichtweg aus dem Verkehr zu ziehen, kann kein Staat (und kein Kapitalismus) bestehen.

Das Anstrengen eines Prozesses gegen die Polizei steht im Widerspruch zur Ablehnung des Staates und seiner Repressionsorgane. Wie können wir sagen, Gerechtigkeit wird nie von Staatsseite kommen und gleichzeitig einfordern, dass das polizeiliche Vorgehen auf der Brücke juristische Konsequenzen hat?

Wir erwarten keine Gerechtigkeit von diesem und von keinem Gericht.
Wir glauben nicht an ihre Gesetze, ihre Strafen, ihre Knäste.

Warum also ein Recht einklagen, das uns nichts bedeutet?
Der Widerspruch bereitet uns Kopfzerbrechen, klar. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass das Anstrengen eines Prozesses gegen die Polizei ein reformistischer Ansatz ist.
Helfen wir ihnen nicht eher, wenn von Hunderten von Fällen staatlicher Misshandlung, die unter den Teppich gekehrt werden, einer vor Gericht kommt, um den Schein staatlicher Gerechtigkeit zu wahren?

Wir möchten hier in fünf Punkten kurz erläutern, weshalb wir es trotzdem tun und für sinnvoll erachten:

Sand im Getriebe sein
Wir erwarten nichts von diesem Gerichtsverfahren, auch wenn wir bereit sind, ihre Waffen gegen sie zu verwenden. Wir möchten den Herrschenden Kopfschmerzen bereiten. Wir wollen es ihnen und ihrer Repression nicht zu einfach machen. Die schönste Möglichkeit, die Repression zu bekämpfen, wäre sicher die sofortige Selbstverwaltung in allen Bereichen, aber bis wir soweit sind, halten wir es neben anderen Ansätzen auch für sinnvoll, Mittel zu nutzen, die eigentlich ihrem System entspringen - Öffentlichkeit sowie persönliches Ansehen und Karriere. Die Öffentlichkeit, die wir herstellen, ist für sie ein Problem.

Bilder in Wanken bringen
Der Staat ist immer darauf bedacht, vor dem Bürgertum seinen demokratischen Schein zu wahren. Der Aubonne-Fall ist für die Politik und die Öffentlichkeit ein ?Skandal?. Nichts mehr und nichts weniger. Er wurde zu einem Skandal aufgrund offensiver Öffentlichkeits- und Medienarbeit, ohne die er sofort unter den Teppich gekehrt worden wäre. Ein Skandal ist immer eine ?Ausnahme?, - aber wenn sich Skandale häufen, können Bilder von Recht und Ordnung (z.B. der Polizei als deinem ?Freund und Helfer?) ins Wanken geraten. Der Glaube an den Rechtsstaat ist irgendwann nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Blanko-Scheck einschränken
Des Weiteren halten wir es für positiv, wenn sich Polizisten und Polizei über mögliche Konsequenzen ihres Handelns Gedanken machen müssen. Sie haben es nicht gern, wenn ihre Brutalität öffentlich gemacht wird. Dies ist aber meistens nur möglich im Zusammenhang mit einer Anzeige (auch wenn es nur in Ausnahmen zu Gerichtsverfahren kommt und sie mit ihren Lügen meistens eh durchkommen). Wenn ?Ordnungskräfte? sehen, dass eine Anzeige von AktivistInnen auch mal zur Anklage und ihre Brutalität zum Tagesgespräch werden können, greift dies ihr Gefühl an, freie Hand mit vollständiger Immunität zu haben und schränkt so ihren Blanko-Scheck ein.

Gegen das Vergessen
Wir halten es für wichtig, die öffentliche Berichterstattung nicht der Polizei zu überlassen, sondern dafür zu sorgen, dass die wirklichen Vorgänge bekannt und nicht vergessen werden. In vielen Fällen ist dies ausserhalb politischer Bewegungen durch die Zensur der Medien unmöglich. In diesem Fall ist es möglich, und daher wollen wir es nutzen.

In eigener Sache...
Zu guter Letzt spielen natürlich auch persönliche Gründe eine Rolle, die wir durchaus als legitim erachten. Eine ganze Reihe von AktivistInnen hat aufgrund der Aubonne-Geschichte eine Menge durchgemacht und es ist einfach eine persönlicher Genugtuung, wenigstens zwei von der Polizei im Kreuzverhör schwitzen zu sehen.
Zudem könnte es dazu kommen, dass vom Schweizer Staat aus Schadensgeld gezahlt werden müsste, - worauf wir uns kaum Hoffnungen machen, denn bis jetzt ist noch nie etwas gezahlt worden -, aber sollte es dazu kommen, wäre es auf jeden Fall schön, dafür nie wieder rennen oder klettern zu können, wenigstens ein paar Groschen zu sehen.


Soweit unsere Beweggründe. Klar fühlen wir uns schizophren dabei, neben dem Staatsanwalt zu sitzen und ihr ?Recht? einzuklagen. Trotzdem halten wir es für richtig und wichtig, in diesem Fall temporär diese Schiene zu fahren, auch wenn wir nicht an dieses System glauben.

Ob es Sinn macht oder nicht, Anzeige gegen die Polizei zu erstatten, darauf gibt es wohl keine allgemeingültige Aussage. Diese Entscheidung muss immer abhängig vom Einzelfall gemacht werden und abhängig von den betroffenen Personen. Sicher ist, dass diese Schiene nie die einzige sein darf, sondern dass Solidarität und Druck von der Strasse unsere Hauptaktionsfelder sind.

Wen die Rechtsseite des Falls Aubonne interessiert, kann sich gern die Zusammenfassung auf dem Internet durchlesen; wir halten diese Details, die eigentlich nur von der wirklichen Problematik ablenken, eher für nebensächlich.

Widerstand wird immer Repression bedeuten.
Unsere Waffe ist unsere Solidarität und unser Antrieb das Verlangen nach Freiheit.

Aubonne Support Gruppe